„Ich habe es geglaubt, ich wollte es wahrscheinlich auch glauben…“
– Ein Aussteiger aus der rechten Szene berichtet von seinem Werdegang und seinen Erfahrungen mit einer radikalen Ideologie

Die rechtsextreme Szene ist bundesweit und natürlich auch hier in Schwandorf um Nachwuchs bemüht. Die Konrad-Max-Kunz-Realschule hat es sich zum Ziel gesetzt, eine „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zu werden, wozu es auch gehört, den Werbestrategien der Neonazis entgegenzutreten, denn das beste Mittel gegen Intoleranz und Fremdenhass ist die Aufklärung. So ist es erfreulich, dass wir durch den „Fachbereich für Demokratie und Toleranz“ der Staatlichen Schulberatungsstelle Regensburg Unterstützung auf unserem Weg zu einem besseren und respektvollen Miteinander gefunden haben.


„Eine radikalere Ideologie hätte ich mir fast nicht aussuchen können. Doch ich habe es geglaubt und ich wollte es wahrscheinlich auch glauben.“ Mit diesen Worten fasst Felix Benneckenstein, in der rechten Szene besser bekannt als „Flex“, seine Erfahrungen und seine persönliche Entwicklung zusammen. Offen und authentisch informiert der ehemalige Neonazi die 9. und 10. Jahrgangsstufe unserer Schule über seinen Werdegang.
Alles begann ganz unspektakulär. Felix war ein unauffälliger Schüler, der in der Pubertät beginnt, gegen alle Machtstrukturen und Autoritäten zu rebellieren. Unterstützung auf seinem Weg gibt ihm rechtsradikale Musik und die Faszination für rechtsradikale Inhalte und Ideologien, auch wenn Werte wie Friede, Gerechtigkeit und „Fürsorge für den kleinen Mann“ aus seiner heutigen Sicht nur vorgeschoben sind, um Jugendliche für nationalsozialistisches Gedankengut zu begeistern. Benneckenstein betont, dass es in seinem Leben durchaus mehrere Knotenpunkte gegeben hätte, an denen er über seine Einstellung hätte nachdenken sollen. Doch die Szene gibt ihm das Gefühl, „jemand zu sein“, wichtig zu sein und lässt ihn Kameradschaft erfahren. Er bringt im Gegenzug sein Talent als Liedermacher für Nachwuchswerbung ein. Gerade unzufriedene Menschen und Jugendliche stehen im Visier der rechtsradikalen Szene, um sie wird mit offenen und subtilen Werbemaßnahmen beispielsweise durch eigens produzierte CDs, Internetforen etc. gekämpft.
Mit dem tieferen Einstieg in rechtsextreme Gruppierungen kommt es automatisch zum Konflikt mit dem Gesetz und zur Verharmlosung der Gräuel des Zweiten Weltkrieges. Erst bei einem längeren Gefängnisaufenthalt schafft der heute als Journalist tätige Vorsitzende des Vereins „Aussteigerhilfe Bayern“ seinen eigenen Ausstieg und ist seitdem in enger Zusammenarbeit mit dem Verein „Exit“ bemüht, potentiellen Aussteigern ihre Entscheidung zu ermöglichen und zu erleichtern.
Fesselnd und authentisch formuliert Herr Benneckenstein seine Erfahrungen und Erkenntnisse aus seiner Zeit als Neonazi, ohne zu dramatisieren oder zu verharmlosen. Stark gefordert war er auch am Ende seines Vortrages, als er den Jugendlichen, die unglaublich interessiert seinen Ausführungen gefolgt waren, Rede und Antwort für die Vielzahl der Fragen stand. Die Zuhörerschaft bedankte sich für diese fundierten Einblicke in eine nicht ungefährliche Szene und die ungewöhnliche Offenheit mit einem ausführlichen Applaus, ehe der Referent die Schülerinnen und Schüler mit einem für das weitere Leben wichtigen Appell verabschiedete: „Nehmt aus eurer schulischen Bildung mit, was möglich ist, um eine Perspektive im Leben zu haben, denn dann haben radikale Ideologien bei euch keine Chance!“

Martin Kreuzer

 

 


Presseartikel

"Ich habe es geglaubt"

Quelle:  Mittelbayerische Zeitung vom 01.04.2015