New York? Rio? Tokio? – Nein … Berlin

Bereits vor dem ersten Schultag meiner zukünftigen 9. Klasse habe ich mir in den Ferien Gedanken über die bevorstehende Abschlussfahrt im übernächsten Schuljahr gemacht. Da viele meiner Schüler schon mehrmals in Italien oder in der Türkei erholsame Urlaubstage verbrachten, wenige jedoch unsere Bundeshauptstadt gesehen haben, stand für mich das Ziel der Fahrt bereits fest. Viele Telefonate mit der Bundestagsabgeordneten unseres Wahlkreises, mit kleineren Hotels, Busunternehmen, Museen, Theaterkassen, etc. gehörten für mich zum Ferienalltag. Und jetzt, knapp ein Jahr später, durfte ich vor Fahrtantritt erneut unzählige Telefonate zwecks Stornierungen oder nicht bezahlten Kosten führen. Aber was tut man nicht alles für seine Schützlinge. Und dann war es endlich soweit. Gemeinsam mit zwei Parallelklassen machten wir uns am 19. September 2016 endlich auf den Weg nach Berlin.
# Montag: Im Bus
Bereits bei Hof erreichen meinen Kollegen und mich die unvermeidbaren Schülerfragen: „Wie lang dauerts denn no? Wann samma endlich da?“ Die Standardantwort darauf erfolgt gefühlte 50 Mal („In fünf Minuten samma da!“). Nach einer sechsstündigen Busfahrt haben wir unser Hotel am Prenzlauer Berg erreicht. Nachdem die Koffer auf halsbrecherische Art und Weise aus dem Kofferraum gezerrt wurden, können wir die Zimmer beziehen. Halt! Nicht alle! Einer muss sich ja um die Fahrkarten für die öffentlichen Verkehrsmittel kümmern. In diesem Fall ist das die Reiseleitung. Also schnell zur S-Bahnstation, ein Ticket kaufen, weiterhetzen zum Gesundbrunnen, an einer endlosen Schlange anstehen und warten. Mein Handy meldet sich viertelstündlich („Frau Dimmer, wo bleim na Sie?“). Wellness sieht anders aus, aber egal. Mit den Tickets in der Hand rase ich zurück zum Bahnsteig, der Zugverkehr fährt nur unregelmäßig, wunderbar. Unsere Schützlinge warten schon ungeduldig an der U-Bahnstation, mein Kollege leistet Schwerstarbeit, 26 Jugendliche zu geduldigem Warten zu überreden. Eine Stunde später habe ich meine Reisetruppe erreicht. Was wir aber gemeinsam aufgrund der Verzögerungen nicht mehr erreicht haben, ist unsere Bunkerführung am Kurfürstendamm. Ich ärgere mich sehr. So wirklich traurig darüber scheint mir meine Klasse allerdings nicht zu sein. Stimmen wie „Fahr ma endlich wieder ins Hotel?“ werden laut. Auf ein Abendprogramm verzichten sie lieber, meine Jungs und Mädels, weil sie so kaputt sind. Ganz nach dem Motto „Wer nicht will, der hat schon“ machen wir uns also nach einer kurzen Führung auf dem KuDamm zurück ins Hotel. Auch abends ist es bald erstaunlich ruhig. Herr Schönberger und ich zweifeln schon an unserer Hörfähigkeit, freuen uns aber über die Ruhe und Erholung, die uns an diesem Abend zu teil werden.
# Dienstag
Recht verschlafen trudeln die ersten Schüler in den Frühstücksraum ein. Wie so oft in den Tagen während unseres Aufenthalts in Berlin meldet sich mein Handy zu Wort. „Frau Dimmer, dem geht’s schlecht, der kann ned frühstücken.“ Kaum fertig gegessen, hetze ich zum scheinbar kranken Schüler, besorge ihm vor unserer geplanten Spreefahrt Brezeln und Cola. Mit dem Rest der Truppe brechen wir auf in Richtung Friedrichstraße, um die Stadtrundfahrt auf dem Schiff anzutreten. Strahlender Sonnenschein, gut gelaunte Schüler, unzählige Handykameras samt Selfiesticks, alles bestens. Hin und wieder die unvermeidbaren Fragen „Was mach ma na heind no?“ und „Mia ham aba heid scho a Pause oder!“ Wie gut, dass mir bei meinen täglichen Ansprachen immer alle zuhören. Anschließend machen wir uns auf den Weg zum Brandenburger Tor. Noch mehr strahlender Sonnenschein, noch besser gelaunte Schüler, die Anzahl der Selfiesticks ist gleichbleibend. Nach einer Runde auf dem Pariser Platz treffen wir uns nach der Mittagspause bei Madame Tussauds. Unser kranker Schüler ist zum Glück wieder einigermaßen fit, sodass er uns begleiten kann. Während die Lehrkräfte teilweise sehr enttäuscht über die vorhandenen Wachsfiguren sind, haben unsere „Kinder“ viel Spaß beim gemeinsamen Ablichten mit berühmten Personen. Nach dem Besuch des Wachsfigurenkabinetts zeigen sich auf Seiten der Schüler erste Ausfallerscheinungen. „I kann nimma gei!“ „Meine Haxn dan so weh!“ „Wann fahr ma endlich ins Hotel?“ Herr Schönberger und ich verstehen die Welt nicht mehr. Gelaufen sind wir an diesem Tag wirklich nicht viel. Mit der Androhung, dass wir am nächsten Tag keine Rücksicht mehr auf Erschöpfungszustände nehmen werden, machen sich einige wieder auf den Weg zurück zum Hotel. Hätte ich mir das geplante Programm vielleicht sparen können und wären die Kids auch damit zufrieden gewesen, einfach nur mal eine Woche in einem anderen Zimmer zu verbringen? Aber nein, da gibt es auch noch diejenigen, die wirklich etwas von Berlin erleben wollen. Gemeinsam mit einem kleinen Schülerstamm besichtigen wir den Alexanderplatz. Abends müssen wir die müden Krieger dann noch zum Bowling antreiben. Wobei der Abend richtig Spaß gemacht hat und auch die unerfahrenen Bowlingspieler unter uns nach kurzer Trainingseinheit erste Erfolge feiern konnten.
# Mittwoch
Nach einer sehr ruhigen Nacht haben es einige von uns nicht einmal zum Frühstück geschafft und machen sich mit leeren Mägen auf die Besichtigung des ehemaligen Stasigefängnisses nach Hohenschönhausen auf. Die Führung übernehmen ehemalige Inhaftierte, die uns die psychologischen Foltermethoden der Stasi näher bringen. Am Nachmittag wird uns im „Dungeon“ die Stadtgeschichte Berlins auf grauenvolle Art und Weise aufgezeigt. Rechts an meinen Kollegen geklammert und links stets eine verständnisvolle Schülerin an meiner Seite, haben wir sehr viel schrecklichen Spaß und Aufregung. Eine ganz mutige Schülerin hat sich sogar getraut, ihrem BWR-Lehrer das Fürchten zu lernen. Für viele der Klasse ist dieser Besuch das Highlight der Fahrt. Die Bunkerführung und die Story of Berlin können wir dann gegen Abend nachholen. Auf dem Heimweg besichtigen wir noch die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (O-Ton: „De is aba kloa!“Anmerkung: Könnte daran liegen, dass sie im Krieg zerstört wurde) und die schönste U-Bahnstation Berlins am Wittenbergplatz (O-Ton: „Und wos is an der so schei?“ Anmerkung: Wir meinten nicht die Gleise). Danach durften meine Mädels und Jungs, die den ganzen Tag ohne Jammerei durchgehalten haben, zurück in ihr geliebtes Hotel. Auf ein Abendprogram haben wir aufgrund von Müdigkeit verzichtet.
# Donnerstag
Es ist 08.57 Uhr, als wir die Zuschauertribüne im Plenarsaal des Deutschen Bundestages betreten. Um 08.58 Uhr habe ich erfahren, wo sich der Parlamentsarzt befindet. Ein Schüler hatte gesundheitliche Beschwerden und meiner Bitte uns Hilfe zu leisten, wurde sofort nachgegangen. Der Schüler durfte sich im Wartezimmer, das eigentlich den Bundestagsabgeordneten dient, erholen, solange wir den Politkern im Bundestag beim Debattieren zuhören konnten und wir unser Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Frau Marianne Schieder (SPD) hatten. Nach dem Bundestag erfolgte die Besichtigung des Potsdamer Platzes. Das offizielle Programm bis zum Musical „Tanz der Vampire“ am Abend endete am gemeinsamen Treffpunkt am Zoologischen Garten.
# Freitag
Nach einer wiederum sehr ruhigen, erholsamen Nacht starteten wir früher als geplant nach Bayern. Als alle Kinder wohlbehalten von ihren Eltern in Empfang genommen wurden, kam für uns das große Durchschnaufen. „Alles gut gelaufen. Alle wieder heil zu Hause. Endlich Erholung. Endlich Wochenende. Endlich die eigenen Kinder wiedersehen.“ Zuhause angekommen werde ich fast von meinen Söhnen überrannt: „Mama, wo ist unser Geschenk? Du darfst nie wieder so lange weg! Hast du noch mehr Geschenke?“ Schön, wenn man weiß, wie sehr man gebraucht wird. Mein Mann hat sich allerdings wirklich gefreut, dass er die Kinder wieder mit mir teilen darf .

# Fazit
Die Studienfahrt nach Berlin war sowohl für Herrn Schönberger als auch für mich eine wunderschöne Woche. Ihr, meine lieben Mädels und Burschen, habt sie für uns zu einer unvergesslichen Woche gemacht. Wir möchten uns bei euch für die vielen offenen Gespräche, die lustigen Situationen, eure Verlässlichkeit, euren Anstand, euer Vertrauen und euren Zusammenhalt ganz herzlich bedanken! Wir sind sehr stolz auf euch!
Bedanken möchte ich mich auch noch bei meinem lieben Kollegen Herrn Schönberger, der mich bereits zum zweiten Mal nach Berlin begleitet hat! Es ist immer schön mit dir! Ein ganz großes Dankeschön auch an Frau MdB Schieder, die uns durch Ihre Einladung auch finanziell geholfen hat.

Eva Dimmer